Geschichte

Die Anwesenheit der russisch-orthodoxen Kirche auf dem deutschen Boden hat eine dreihundert-jährige Geschichte: bereits im 17. Jahrhundert gehörten zum Personal aller russischen Botschaften in verschiedenen Orten Deutschlands auch die Priester. Die religiöse Verbundenheit ist jedoch viel älter, denn die Gläubigen Russlands und Deutschlands verehren die gleichen Heiligen, die den christlichen Glauben den germanischen und slawischen Völkern brachten. Im 13. Jahrhundert konvertierte ein Deutscher, der heilige Prokopius, in Russland zum orthodoxen Glauben und wird von Russen als Wundertäter verehrt. Russische Großfürstinnen wurden deutsche Königinnen und behielten ihren orthodoxen Glauben und umgekehrt, deutsche Prinzessinnen nahmen den orthodoxen Glauben an, als sie russische Großfürstinnen oder Zarinnen wurden. Unter den von der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland heilig gesprochenen Märtyrern und Bekennern sind zwei deutsche Prinzessinnen, die Zarin, Märtyrerin Alexsandra Feodorowna und Ihre Schwester Elisaveta, die auf grausame Weise von Bolschewisten ermordet wurden.

Nach der bolschewistischen Revolution begann eine wüste Verfolgung der Kirche, die sich dem neuen Regime nicht beugen wollte. Dieser Teil verließ Russland und gründete hier die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland (RPZZ), die die traditionelle Seelsorge kompromisslos fortsetzte. 1926 erhielt das deutsche Bistum durch den Beschluss der Synode der RPZZ die Autonomie. Anfänglich Erzbischof und später Metropolit Serafim (Lade), ein gebürtiger Deutscher und Konvertit, stand dem Bistum vor. Vor der Revolution studierte er in Russland, wo er auch die Priesterweihe empfing. Nach dem 2. Weltkrieg amtierten in Deutschland zwei Bischöfe im Norden (Hamburg) und im Süden. Später blieb nur ein Bistum in München. Das deutsche Bistum der RPZZ bewahrt seine russische Substanz, ist sich aber bewusst die dreihundert Jahre währende orthodoxe Tradition gerade in Deutschland sorgsam zu pflegen. Es versteht seine Sendung und Verantwortung.

Aus der Geschichte der Russisch-Orthodoxen Kirche in Regensburg

In Regensburg gab es nach dem II. Weltkrieg zunächst drei russische Kirchen: die bedeutendste und älteste war die Kirche zum Schutz der Gottesmutter. Sie besteht noch heute. Außer dieser Gemeinde gab es seit Anfang 1946 noch eine Gemeinde der Gerechten Evfrosinija im UNRA -Flüchtlingslager und eine Hl. Nikolaus Kirche am russischen Gymnasium. Im UNRA-Lager lebten 644 Personen. Die Gemeinde zum Schutz der Gottesmutter wurde im Juni 1945 gegründet.

Die Existenz der Gemeinde wird erstmals in einem Brief vom 3. August 1945 an Metropolit Serafim erwähnt, an den sich Erzpriester Vasilij Lebedev mit der Bitte um Anerkennung und Aufnahme der Gemeinde in die deutsche Diözese gewandt hatte. Vater Vasilij schreibt, dass die Gemeinde bei der amerikanischen Militärverwaltung bereits registriert worden sei und sich die Gläubigen zu den Gottesdiensten in der Oswald-Kirche versammeln. Zur Geistlichkeit gehörten 2 Priester, ein Diakon und ein Psalmist. die Gemeindeverwaltung befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Silbernen Fischgasse 17. Die Gemeinde war äußerst gut organisiert. Die Gemeindeausgaben beschränkten sich nicht nur auf das kirchliche Leben, sondern umfassten ein breites sozial-karitatives und bildungspolitisches Spektrum. Die Leitung der Schwesternschaft hatte Ekaterina Dostojevskaja übernommen. Sie war die Schwiegertochter des großen russischen Schriftstellers. Sie war zusammen mit ihrer Schwester Anna Fal’c-Fejn über Polen und Niedersachsen nach Regensburg gekommen, wo sie bis 1947 lebten, bevor sie nach Frankreich emigrierten. Die Gemeinde verfügte über die wichtigsten liturgischen Bücher, wertvolle liturgische Gewänder für Diakone, Priester und Bischöfe, sowie eine weiße Bischofsmitra. Die Gegenstände waren der Gemeinde von einem unbekannten Flüchtling übergeben worden. Ein im Gepäck gefundenes Kupfersiegel deutete darauf hin, dass die Gegenstände unter Umständen aus der Besitz von Erzbischof Nikolaj von Stavropol’ stammen.Vater Aleksej bei der Prozession Zu diesem Zeitpunkt besuchten etwa 300 bis 400 Personen regelmäßig die Gottesdienste. Insgesamt gehörten zur Gemeinde etwa 2000 Personen, von denen die Mehrheit außerhalb der Stadt wohnte.

Im Jahre 1948 waren 1200 Personen als Gemeindemitglieder registriert, die orthodoxe Gläubige «Verschiedener Nationalitäten», nicht nur Russen, umfasste. Dies wurde mehrmals in späteren Schreiben an die amerikanische Militärverwaltung hervorgehoben, nachdem diese zugestimmt hatte, dass im Jahre 1946 insgesamt 39000 Personen aus der amerikanischem Besatzungszone ein Einreisevisum für die USA beantragen könnten. Seit dieser Zeit war die Gemeinde unter der offiziellen Bezeichnung «Greek Orthodox Community in Regensburg for Niederbayern and Oberpfalz» bei der amerikanischen Militärverwaltung registriert. Die Bezeichnung «Greek Orthodox» war eine damals übliche Abgrenzung der orthodoxen Kirche gegenüber den anderen Konfessionen und darf keinesfalls mit einer nationalen Zuordnung verwechselt werden. Zur Gemeinde gehörten ein Kindergarten, eine Grundschule, ein Pfadfinderverein, eine Küche für Gemeinschaftsverpflegung für 200 Personen, ein Ambulatorium und eine Bibliothek mit 400 Büchern. Beklagt wurde, dass seit März 1946 die Aktivitäten von Sowjetemissären, ständig zunahmen. Diese versuchten die Flüchtlinge zur Rückkehr in die Sowjetunion zu bewegen.

Die Beziehungen der Gemeinde zum Schutz der Gottesmutter zu den evangelischen und katholischen Christen waren relativ intensiv. So verwandte sich das Evangelisch Lutheranische Pfarramt Regensburg in einem Brief vom Oktober 1946 an den Oberbürgermeister dafür, dass man der russischen Gemeinde drei Räume überlassen sollte, damit diese ein «dringend benötigtes Hilfswerk für die Flüchtlinge» einrichten könnte. das Pfarramt begründete seine Bitte damit, dass die orthodoxe Kirchengemeinde an der Wiederherstellung der stark beschädigten Oswald-Kirche seit mehreren Monaten aktiv mitgewirkt habe. Ohne ihre Mithilfe hätten diese Arbeiten vor Anbruch des Winters gar nicht beginnen können. Die Kirche, welche wertvolle Gemälde enthält, wurde dadurch vor kaum mehr gut zu machenden Schäden bewahrt. Aus diesem Grunde unterstützt die evangelische Gemeinde auch den «Wunsch und Antrag der russischen Gemeinde auf ein eigenes Gotteshaus». Ende Oktober 1946 stellte die Gemeinde beim Stadtrat einen Antrag auf Überlassung der ehemaligen Friedhofskapelle in der Prüfeningerstraße, um diese künftig als Gemeindekirche zu nutzen. die Kapelle war im Stil der Neuromantik im Jahre 1836 als Friedhofskapelle aus Spenden errichtet worden. Im Jahre 1936 wurde der alte Friedhof aufgegeben und dem Stadtpark eingegliedert. Die Kapelle stand seitdem leer. Die Wiederverwendung der Kapelle als Kirche wurde daher vom Denkmalsamt der Stadt ausdrücklich begrüßt und befürwortet. Vom Stadtrat wurde daraufhin die Kapelle «zur unentgeltlichen Benutzung» der russischen Gemeinde mit der Auflage überlassen, die als Folge «von Kriegseinwirkungen entstandenen Schäden zu beseitigen und die Kosten für den laufenden Bauunterhalt auf Dauer der Benutzung zu übernehmen». Die Gemeinde stellte zunächst 15000 RM aus dem Gemeindevermögen für Reparaturarbeiten und Baumaterial zur Verfügung.

Vater Aleksej Puzanov mit der Gemeinde

Wie in anderen Gemeinden auch, entwickelte sich ein aktives Gemeindeleben in diesen Jahren. Vor allem im sozial-karitativen Bereich gab es viel zu tun: die Flüchtlinge mussten in der Arbeitsprozess eingegliedert werden, Wohnraum, Möbel, Hausrat usw. mussten beschafft werden. Es gab zahlreiche Flüchtlinge, die aufgrund ihres Alters oder in Folge von Invalidität arbeitsunfähig waren. Daher bemühte sich die Gemeinde einer Anregung von Vater Feodor folgend, seit Dezember 1946 ein Alten- und Pflegeheim in Regensburg zu errichten. In dem Heim sollten Personen aus dem gesamten Regierungsbezirk Niederbayern-Oberpfalz Aufnahme finden. Das Projekt wurde im April 1947 von der US-Militärverwaltung genehmigt und sollte in Zusammenarbeit mit «Internationalen Flüchtlingskomitee der Vereinten Nationen» durchgeführt werden. Die offizielle Bezeichnung des Heims lautete «St. Serafim-Heim der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde zu Regensburg für Alte und Behinderte». Die Gründungsstatuten sahen vor, dass im Heim Personen Aufnahme finden sollen, die aufgrund ihres Alters oder Invalidität arbeitsunfähig wurden und über keine finanziellen Mittel verfügten, um in einem anderen Heim Unterkunft zu finden. da die Gemeinde aus eigener Kraft den Unterhalt des Heims nicht finanzieren konnte, wurde in der Gründungsurkunde auch festgehalten, dass im Heim Handwerksstätten eingerichtet werden sollten, in denen die Heimbewohner je nach Gesundheitszustand Möglichkeit zur Mitarbeit erhalten sollten. Die Amerikanische Behörden unterstützten den Plan in einem Gesuch an das Bayerische Wirtschaftsministerium. Um weitere Unterstützung wandte man sich an das katholische Bistum und das Haus Thurn und Taxis. Das Heim wurde bereits wenige Wochen später in der Landshuter Str. 7 eingeweiht. Bis zur Währungsreform erhielt das Heim monatlich eine Unterstützung von 5000 RM von der Gemeinde. Dieses Hilfswerk wurde aber durch die Währungsreform in Frage gestellt, da das Gemeindevermögen praktisch wertlos geworden war.

Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinde war auch durch die einsetzende Auswanderung bedingt, da ständig größere Gruppen die Gemeinde verließen. Aus der Gemeindebüchern geht hervor, dass die Zahl der Taufen sehr hoch war: bis Anfang 1947 wurden 97 Personen getauft, darunter befanden sich 11 Personen katholischen Glaubens, die in die Orthodoxie aufgenommen wurden.  Im Februar 1947 wurde der Direktor des russischen Gymnasiums in Regensburg, Popov, von der Münchner Diözesanverwaltung angewiesen, im Gymnasium eine Hauskapelle einzurichten. Die Kirche wurde dem Hl. Nikolaus geweiht. Die Kirche verfügte über keinen eigenen Raum, sonder wurde nur zu den Gottesdiensten provisorisch hergerichtet. Das Gymnasium befand sich in der von Scheubner-Richter-Straße. Zum Geistlichen der Hauskapelle und Religionslehrer am Gymnasium wurde im November 1947 Erzpriester Vasilij Davidovic ernannt, ihm folgte 1948 Erzpriester Stefan Malaskevic. Beide Priester betreuten hauptamtlich die Gemeinden in Regensburg. Im Juli 1948 wurde das Gemeindemitglied Alexej Pusanov zum Diakon, im November 1949 zum Priester geweiht. Er betreute die Gemeinde bis zum Jahre 1964. Zusätzlich gehörte die Seelsorge der weit verstreut wohnenden Gläubigen in der Oberpfalz und in Niederbayern zu seinem Aufgabebereich, sowie die Gefangenenseelsorge in Straubing. Sein Nachfolger wurde Erzpriester Ioan Rybcinskij bis 1980. Nachfolger wurden seit 1980 folgende Geistliche: Mönchpriester Maxim Prodanovic und die Priester Josef Wowniuk Vitalij Gavriljuk, Erzprister Vadim Mel’cunikovskij, erneut Priester Josef Wowniuk, Stefan Urbanovic. Seit dem Jahre 1998 steht der Gemeinde Priester Viktor Wdowitschenko vor, der Anfang der 90er Jahre aus der Ukraine ausgewandert war und seit dieser Zeit zur Regensburger Gemeinde gehörte.Vater Viktor bei der Kirchenprozesion Die starke Abwanderung, die 1948 einsetzte, wird am Beispiel dieser Gemeinde deutlich: im Jahre 1948 waren 1200, 1950 nur noch 518 Personen registriert. Von diesen lebten nur 315 in Regensburg und in den näheren Umgebung, der Rest von 203 in sieben Ortschaften im Umkreis vom 50 km.

In der Chronik der Gemeinde wird oft die Teilnahme der deutschen Bevölkerung beim alljährlichen Patrozinium erwähnt. Traditionsgemäß zelebriert an diesen Tag selbst der Bischof, assistiert von mehreren Priestern. Regelmäßig waren es die Bischöfe Alexander, Pavel und Mark. Die Regensburger Presse berichtete darüber. Man darf auf keinen Fall unerwähnt lassen, dass der Gemeinderat in den gleichen Zeit eindrucksvolle Aktivitäten entwickelte. Mit Kostenaufwand und viel Mühe wurde das Innere des Gotteshauses renoviert und 1980 der Fußboden völlig erneut. Der Altar und die Ikonenpulte erhielten neue Bekleidung. Für die Priester und Ministranten wurden neue liturgische Kleider angeschafft. Als Kirchenälteste wurden bis 1995 von der Gemeinde ernannt: Pawel Richardivitsch Starke, Semjon Efimovitsch Natjuschenko, Gerasim Degtjarew und zuletzt Nedela Kantschewa. Besonders die letzte scheute weder Mühe, noch Mittel für den Erhalt der Gemeinde. Denn mit dem Mitgliederschwund nahmen die Einnahmen der Gemeinde bedrohlich ab. Valentina Aleksejevna Tschuibe, eine der Töchter des Priesters Aleksej, verwaltete die Finanzen der Gemeinde fast zwanzig Jahre. Unvergessen bleib der Kantor Ivan Pavlovitsch Bartoschek, der ebenfalls so lange wirkte.Innere Ansicht der Kirche

Mit dem Beginn der neunziger Jahre begann der Zustrom von Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Ankömmlinge befanden sich in völlig neuen Lebensbedingungen. Man musste sich anpassen, die Grundlagen für eine neue Existenz erarbeiten und dabei das geistige Erbe bewahren. Es geschah ein Wunder! In den Herzen der Menschen, die in der Atmosphäre des streitbaren Atheismus aufwuchsen, glimmte noch die Gnade des Glaubens. Die Gemeinde erfährt nicht nur eine Neubelebung, sonder auch ein Wachstum, worüber eine große Zahl von Kleinkindern ein Zeugnis liefert. 1998 erhält die Gemeinde einen ständigen Seelsorger. Dies ist Vater Viktor (Viktor Michailovitsch Wdowitschenko). Er ist selbst Einwanderer. Er erhielt die Priesterweihe vom Erzbischof Mark. In kürzester Zeit gelang es Vater Viktor das Vertrauen und die Beliebtheit der Gläubigen zu gewinnen. Die ständig wachsende Zahl der Teilnehmer an den Gottesdiensten, die auch aus der Umgebung von Regensburg stammen, legen das beste Zeugnis dafür ab. Frau Natalia Nikolajewna Liakhovetskaja, eine begabte Musikpädagogin aus Moskau, leitet mit Hingabe den Kirchenchor, der jeden beeindruckt, der an dem Gottesdienst teilnimmt. Bereits viele Jahre wird Alexander Arnoldovitsch Jäger als Kirchenältester gewählt. Zusammen mit Frau Lubov Feodorovna Ludwig, die die Gemeindefinanzen verwaltet, sichert er die wirtschaftlichen Belange der Gemeinde.

Jeder Besucher der Kirche im Stadtpark, die ein Staubkörnchen der Heimat darstellt, nimmt mit sich ein nachhaltiges Erlebnis mit. Am 14. Oktober 2006, dem Maria Schutz Fest, begeht die Gemeinde der Kirche im Stadtpark das 60. Patrozinium-Fest. Wer hätte je gedacht, dass diese Gemeinde der Russisch-Orthodoxen Kirche im Ausland so lange bestehen wird. Nach dem Kriegsende lebten die Gründer der Gemeinde in voller Ungewissheit ihres Schicksals. Die Jungen und Gesunden von ihnen wanderten aus. Die verbliebenen Alten, Kranken und Sonstigen stand es allem Anschein nach die Geschichte der Gemeinde auf dem natürlichen Weg zu beenden. Aber Gottes Voraussicht ließ dies nicht zu. Der Zustrom junger tatkräftiger Menschen gewährleistete eine hoffnungsvolle Zukunft, derer zuversichtliches Unterpfand immer die Kinder sind. Der Anteil der Kinder in der Gemeinde nimmt stetig zu. Vater Viktor hat mehr mit Taufen und Trauungen zu tun, als mit Begräbnissen. Es sind nur noch zwei Gemeindemitglieder aus der Gründerzeit unter uns: Efrosinia romanovna Moljan und Iwan Petrovitsch Komaroff.

Palmensonntag Seit einigen Jahren widmen sich Ludmila Petrovna Ilchyschina und Maria Iwanowna Komaroff der Kunsterziehung der Kinder.  Ihre Mühe wurde durch erfolgreichen Auftritt der Theatergruppe belohnt. Vadim Zubik, ein Absolvent der Seminaria in der Ukraine, unterrichtet Kinder in Religionslehre. Die Russisch-Orthodoxe Gemeinde in Regensburg ist ohne Zweifel ein Bestandteil des religiösen Lebens in der Stadt.